Samstag, Oktober 14, 2006

Lobbyismus Teil 4: Realitätsverdrängung durch Statistik. Klimawandel braucht Realität, nicht Verdrängung.

Baden-Württemberg will nachhaltigen Umweltschutz

Schein und Wirklichkeit für ein Engagement zum Klimaschutz

Bei der Vorstellung des Berichtes „Umweltdaten 2006“ sprach unsere Umweltministerin Tanja Gönner von dem „ehrgeizigen Ziel“, 20% des Strombedarfs in BaWü bis zum Jahr 2020 aus erneuerbaren Energien zu decken.

Hört, hört, wie stark der Ehrgeiz unserer Landesregierung ausgeprägt ist.
In der Broschüre „Erneuerbare Energien in Baden Württemberg 2005“ wird aufgezeigt, wie sich das Thema erneuerbare Energien in BaWü in den letzten Jahren entwickelt hat.

Ausgehend vom Basisjahr 1997 wird folgender Zielparameter für 2010 für Strom aus erneuerbaren Energien angegeben:

Bruttostromverbrauch

Basisjahr

1997 in %

Zieljahr

2010 in %

Baden-Württemberg

6,1

11,5

Deutschland

4,5

12,5

EU-15

13,9

22,0

Primärenergieverbrauch

Basisjahr

1997 in %

Zieljahr

2010 in %

Baden-Württemberg

2,4

4,8

Deutschland

2,0

4,2

EU-15

5,4

12,0

BaWü hat den niedrigsten Zielwert für 2010. Das ist sehr ehrgeizig.

BaWü hat einen höheren Ausgangswert wie Gesamtdeutschland. Da kann der Zielwert auch niedriger ausfallen. Das ist sehr ehrgeizig.

Die EU-15 gibt einen mehr als doppelt so hohen Zielwert an als BaWü. Das Land ist demnach sehr ehrgeizig.

Interessant ist die statistische Analyse auch im Hinblick auf den Anteil der Wasserkraft an den erneuerbaren Energien ist. Mit ca. 67% ist er aufgrund der natürlichen Gegebenheiten sehr hoch. Die Nutzung ist auch historisch bedingt und stellt keine neue Leistung für die notwendigen Anstrengungen zum Klimaschutz dar.

Vielmehr wird dadurch verschleiert, dass relativ wenig im Land unternommen wird, um den Strombedarf auf nachhaltige Energieträger umzustellen.

Es wird uns erklärt, dass der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch von 7,9% im Jahr 2005 auf 8,5% im Jahr 2006 gestiegen ist. Das ist eine gute Nachricht, sagt aber nichts darüber aus, was tatsächlich unternommen wurde, um den Anteil erneuerbarer Energie an der Stromerzeugung nachhaltig zu steigern.

Denn bereits im Jahr 2000 war der Anteil in BaWü bei 9,2% gelegen. Die Wasserkraft ist wie die meisten erneuerbaren Energieträger schwankungsanfällig. Wahrscheinlich war 2005 ein besseres Wasserkraftjahr als 2004.
Das aber als Erfolg einer zukunftsorientierten Politik zu verkaufen, ist politische Schönfärberei.

Die Regierung gibt sich große Mühe, mit vielen Umweltdaten und interessanten Broschüren, den Bürgerinnen und Bürgern Basisinformationen zur Verfügung zu stellen. Das ist gut und ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Nur ist die Strategie, seit Jahren viele Daten zu sammeln, allein nicht zielführend, um dem Klimawandel zu begegnen. Der Klimawandel findet statt. Das ist allgemein wissenschaftlich anerkannt. Auch auf den Seiten des Umweltministeriums BaWü wird diese Tatsache anerkannt. Nur wirklich verändert wird wenig seitens der Energiemonopole und weiten Teilen der Politik.

Klimawandel ist „Eine unbequeme Wahrheit“. Das Zitat von Upton Sinclair bringt es auf den Punkt:

“It is difficult to get a man to understand something when his salary depends upon his not understanding it.”
„Es ist schwer, jemanden dazu zu bringen, etwas zu verstehen, wenn er dafür bezahlt wird es nicht zu verstehen.“

Der Lobbyismus der Monopole funktioniert. Die EnBW veranstaltete sogar einen Klimaschutzkongress.

(Lobbyismus Teil 1, vom 30.09.06)
Die EnBW ist die Speerspitze einer neuen Umweltbewegung.

Die Herausforderung ist, dass die Speerspitze auf die erneuerbaren Energien zeigt, um die Atomkraft zu verteidigen.

Nachhaltige Marktwirtschaft funktioniert anders. Sofern man Monopole duldet, haben Sie auch gesellschaftliche und ökologische Verantwortung zu tragen. Monopole haben dabei zu akzeptieren, dass durch nachhaltige Entwicklung ökonomischer Prozesse, die Rendite geschmälert wird. Ein Optimum kann niemals ein Maximum sein, wenn man auch andere als reine betriebswirtschaftliche Parameter in die Renditekalkulation einfließen lässt.

Die Antwort kann nur heißen: Bürgerstrom durch Bürgerprojekte. Anhand der Photovoltaik zeigt das Bürgerprojekt Solarstrom beispielhaft auf, wie sich jeder Einzelne für die Gemeinschaft einbringen kann und dazu beiträgt, Schritt für Schritt einen tatsächlichen Energiewandel herbeizuführen.

Energiesparen und Energieeffizienz sind zwei wichtige Faktoren zur Reduzierung von CO2-Emissionen. Der nach meiner Auffassung wichtigste Faktor ist aber, die Entstehung von CO2 von vorne herein zu vermeiden.

Wenn Energie bereits CO2-reduziert bereitgestellt wird oder in der Energieproduktionsphase sogar fast CO2-frei ist (z.B. Photovoltaik oder Windkraft), dann kann der Einzelne den Wohlstand auch genießen, ohne reflexartig überlegen zu müssen, welche Umweltsünde er gerade mit der Standby-Taste begeht.

Wenn wir wollen, dass alle Menschen an Wohlstand partizipieren, kann die Energiefrage nur gelöst werden durch konsequenten und massenhaften Ausbau erneuerbarer Energien.

Alle bisherigen Ansätze der Politik und der Monopolwirtschaft lösen die Fragestellungen zum Klimawandel nicht. Der CO2-Ausstoß wird unweigerlich zunehmen, wenn wir in diesem langsamen Tempo den Energiewandel weiter betreiben.

Wer möchte schon eine unbequeme Wahrheit hören, wenn er heute davon profitiert. Den Profit haben nicht nur die Unternehmen (z.B. durch Geld und Macht) und die Politik (z.B. durch Macht und Wohlgefallen), sondern jeder von uns (z.B. durch Wohlstand). Gehen wir in uns selbst. Fragen wir uns: Was kann ich selbst tun? Finden Sie Ihren Weg, um dem Klimawandel zu begegnen.

Sie verursachen 10.140 kg CO2 pro Jahr. Schaffen Sie Kapazitäten, um Ihre persönlichen CO2-Emissionen zu reduzieren oder gar auf 0 zu stellen oder sogar darüber hinaus zu gehen. Es gibt viele Wege dies zu tun.

Ein Weg ist das Bürgerprojekt Photovoltaik. Nachhaltigkeit durch nachhaltige Marktwirtschaft. Gestalten Sie die Zukunft mit. Befreien Sie sich vom Preisdiktat der Monopole. Machen Sie sich unabhängig von Versorgungsengpässen, Krisenregionen, Monopolstrukturen, politischen Unfähigkeiten.
Wirken Sie mit beim Aufbau einer
Schlüsseltechnologie
dieses Jahrhunderts und schaffen Millionen zukunftsfähiger nachhaltiger Arbeitsplätze.
Wir bestimmen selbst, wie der Klimawandel aussieht.

Die Zukunft beginnt jeden Tag.
Gemeinsam können wir den Klimawandel aufhalten. Sie müssen es nur wollen.

Sonnige Grüße
Ihr
Dietmar Helmer

Montag, Oktober 09, 2006

Lobbyismus Teil 3: Wie ein Windkraftanlagenbauer für die Atomindustrie Lobbyismus betreibt.

In den letzten Tagen kam die frohe Kunde, dass in der Nordsee das erste Testfeld für einen deutschen Meereswindpark mit 12 der neuen 5-Megawatt Windkraftanlagen bis 2008 gebaut werden soll. Dass die Betreiber die Monopole EON, Vattenfall und EWE sein werden, zeigt, dass es wohl doch möglich ist, wirtschaftlich regenerativ hergestellten Strom zu produzieren.
Ist ja auch nicht weiter verwunderlich: Laut Stuttgarter Zeitung vom 04.10.06 beträgt das Investitionsvolumen EUR 175 Mio. Auf der Website des Anlagenlieferanten REpower ist in einer Pressemitteilung vom 02.10.06 noch erwähnt, dass das BMU EUR 50 Mio. Fördermittel zugesichert hat.

Die professionelle Arbeit der Lobbyisten hat volle Früchte getragen. Muss man den armen Großmonopolen auch noch EUR 50 Mio. nachtragen, damit die sich für das Thema regenerative Energien überhaupt interessieren. Vordergründig regt die Politik sich über die Maßlosigkeit bei den Strompreisen auf und schimpft über zusätzliche Milliardenprofite. Trotzdem bezuschusst man die Monopole noch mit EUR 50 Mio.

Der eigentliche Clou bei diesem Geschäft ist aber, dass zeitgleich zur Bekanntgabe dieses Windkraftprojektes der ehemalige Umweltsenator und jetzige Chef von REpower, Herr Vahrenholt, unter anderem in der TAZ vom 07.10.06 ein Interview gegeben hat und sich für die Verlängerung der Atomkraftwerkslaufzeiten ausspricht.

Zitatanfang:
Warum liegt Ihnen als Windradbauer die Atomkraft so am Herzen, dass sie längere Laufzeiten fordern?
Wir stehen vor unglaublichen Verwerfungen der Energiemärkte. Gleichzeitig wird Jahr für Jahr deutlicher, welche katastrophale Folgen der Klimawandel haben wird. Wir brauchen deshalb Zeit, um unsere Energieversorgung anzupassen.
Zitatende.
7.10.2006 taz Wirtschaft und Umwelt 151 Zeilen, THORSTEN DENKLER S. 9

Die Argumentationen sind aus der Sprüchekiste der Atomlobby übernommen:
1. Windenergie und Sonnenenergie sind noch nicht ausreichend vorhanden, sichern nur den Spitzenstrom und sind für Grundlaststrom derzeit ungeeignet.
2. Das bisschen mehr Atommüll macht doch nichts. Unsere Kraftwerke sind sicher.
3. Im Jahr 2050 können wir vielleicht 50% unserer Energieversorgung aus regenerativen Quellen beziehen.
4. Herr Vahrenholt weiß heute auch schon genau, dass man bei den heutigen Preisen von 50ct für Sonnenstrom ganz sicher nicht auf 7ct oder 8ct kommen kann in den nächsten 20 Jahren.
etc.
Mein lieber Herr Vahrenholt, bei der Einstellung, die Sie zu Ihrer Branche haben, sollten Sie Ihren Job wechseln. Wie teuer war Windstrom vor 15-20 Jahren? Na wissen Sie es noch? Heute stehen wir bei 8,6ct mit fallender Tendenz.

Niemals würde ich vermuten, dass Ihre Huldigung für den Atomstrom etwas mit dem tollen Geschäft für den Meereswindpark, den Sie für EON, Vattenfall und EWE bauen dürfen, zu tun hat. Wer einen solchen Zusammenhang konstruieren würde, läge nach Ihrer Auffassung sicher fehl. Da das auch nicht zu beweisen ist, liegt es mir demnach auch fern, solch eine Vermutung anzustellen.

Die Entwicklungen in allen Feldern der solaren Energiegewinnung sind fulminant. Bei Einsatz der modernen heutigen und künftigen Techniken wird es möglich sein, die Preise pro kwh deutlich zu senken. Das müssen in 20 Jahren wahrscheinlich auch keine 8ct mehr sein.

Auch Sie, Herr Vahrenholt, wissen, dass durch die neuen Technologien bei Kohle und Gaskraftwerken zur Vermeidung von CO2-Emissionen die derzeitigen Gestehungspreise dieser Energiegewinnungsformen und die stetig steigenden Rohstoffpreise zu einem unaufhaltsamen Anstieg der Strompreise führen. Des weiteren wird der Emissionshandel mit CO2-Zertifikaten verfeinert. Die Inflation tut ein weiteres. Bei nur 2% Inflation pro Jahr steigen die Preise um 50% in 20 Jahren. Wären die Kosten für die Endlagerung des Atommülls nicht dem Staat angelastet, gäbe es den Traum vom billigen Atomstrom gar nicht.

Ich selbst bin überzeugt, dass man das Thema Atomstrom entemotionalisieren müsste und wirtschaftlich sinnvolle Lösungen anstrebt. Ihre Argumente und die der Atomlobby gehen aber nur zu Lasten der Gesellschaft und zum Nutzen der Energiemonopole.

Wenn die Monopole bereit sind, nachhaltige Marktwirtschaft durch Einbindung von Ökologie und gesellschaftlicher Verantwortung in ihr wirtschaftliches Handeln einzubetten, sollte man darüber wertfrei sprechen.

Es reicht doch schon, wenn die Monopole für die eigenen Interessen Lobbyismus betreiben. Warum haben Sie, Herr Vahrenholt, sich deren Argumenten angeschlossen?

Es grüßt Sie
Ihr Dietmar Helmer