Montag, Oktober 09, 2006

Lobbyismus Teil 3: Wie ein Windkraftanlagenbauer für die Atomindustrie Lobbyismus betreibt.

In den letzten Tagen kam die frohe Kunde, dass in der Nordsee das erste Testfeld für einen deutschen Meereswindpark mit 12 der neuen 5-Megawatt Windkraftanlagen bis 2008 gebaut werden soll. Dass die Betreiber die Monopole EON, Vattenfall und EWE sein werden, zeigt, dass es wohl doch möglich ist, wirtschaftlich regenerativ hergestellten Strom zu produzieren.
Ist ja auch nicht weiter verwunderlich: Laut Stuttgarter Zeitung vom 04.10.06 beträgt das Investitionsvolumen EUR 175 Mio. Auf der Website des Anlagenlieferanten REpower ist in einer Pressemitteilung vom 02.10.06 noch erwähnt, dass das BMU EUR 50 Mio. Fördermittel zugesichert hat.

Die professionelle Arbeit der Lobbyisten hat volle Früchte getragen. Muss man den armen Großmonopolen auch noch EUR 50 Mio. nachtragen, damit die sich für das Thema regenerative Energien überhaupt interessieren. Vordergründig regt die Politik sich über die Maßlosigkeit bei den Strompreisen auf und schimpft über zusätzliche Milliardenprofite. Trotzdem bezuschusst man die Monopole noch mit EUR 50 Mio.

Der eigentliche Clou bei diesem Geschäft ist aber, dass zeitgleich zur Bekanntgabe dieses Windkraftprojektes der ehemalige Umweltsenator und jetzige Chef von REpower, Herr Vahrenholt, unter anderem in der TAZ vom 07.10.06 ein Interview gegeben hat und sich für die Verlängerung der Atomkraftwerkslaufzeiten ausspricht.

Zitatanfang:
Warum liegt Ihnen als Windradbauer die Atomkraft so am Herzen, dass sie längere Laufzeiten fordern?
Wir stehen vor unglaublichen Verwerfungen der Energiemärkte. Gleichzeitig wird Jahr für Jahr deutlicher, welche katastrophale Folgen der Klimawandel haben wird. Wir brauchen deshalb Zeit, um unsere Energieversorgung anzupassen.
Zitatende.
7.10.2006 taz Wirtschaft und Umwelt 151 Zeilen, THORSTEN DENKLER S. 9

Die Argumentationen sind aus der Sprüchekiste der Atomlobby übernommen:
1. Windenergie und Sonnenenergie sind noch nicht ausreichend vorhanden, sichern nur den Spitzenstrom und sind für Grundlaststrom derzeit ungeeignet.
2. Das bisschen mehr Atommüll macht doch nichts. Unsere Kraftwerke sind sicher.
3. Im Jahr 2050 können wir vielleicht 50% unserer Energieversorgung aus regenerativen Quellen beziehen.
4. Herr Vahrenholt weiß heute auch schon genau, dass man bei den heutigen Preisen von 50ct für Sonnenstrom ganz sicher nicht auf 7ct oder 8ct kommen kann in den nächsten 20 Jahren.
etc.
Mein lieber Herr Vahrenholt, bei der Einstellung, die Sie zu Ihrer Branche haben, sollten Sie Ihren Job wechseln. Wie teuer war Windstrom vor 15-20 Jahren? Na wissen Sie es noch? Heute stehen wir bei 8,6ct mit fallender Tendenz.

Niemals würde ich vermuten, dass Ihre Huldigung für den Atomstrom etwas mit dem tollen Geschäft für den Meereswindpark, den Sie für EON, Vattenfall und EWE bauen dürfen, zu tun hat. Wer einen solchen Zusammenhang konstruieren würde, läge nach Ihrer Auffassung sicher fehl. Da das auch nicht zu beweisen ist, liegt es mir demnach auch fern, solch eine Vermutung anzustellen.

Die Entwicklungen in allen Feldern der solaren Energiegewinnung sind fulminant. Bei Einsatz der modernen heutigen und künftigen Techniken wird es möglich sein, die Preise pro kwh deutlich zu senken. Das müssen in 20 Jahren wahrscheinlich auch keine 8ct mehr sein.

Auch Sie, Herr Vahrenholt, wissen, dass durch die neuen Technologien bei Kohle und Gaskraftwerken zur Vermeidung von CO2-Emissionen die derzeitigen Gestehungspreise dieser Energiegewinnungsformen und die stetig steigenden Rohstoffpreise zu einem unaufhaltsamen Anstieg der Strompreise führen. Des weiteren wird der Emissionshandel mit CO2-Zertifikaten verfeinert. Die Inflation tut ein weiteres. Bei nur 2% Inflation pro Jahr steigen die Preise um 50% in 20 Jahren. Wären die Kosten für die Endlagerung des Atommülls nicht dem Staat angelastet, gäbe es den Traum vom billigen Atomstrom gar nicht.

Ich selbst bin überzeugt, dass man das Thema Atomstrom entemotionalisieren müsste und wirtschaftlich sinnvolle Lösungen anstrebt. Ihre Argumente und die der Atomlobby gehen aber nur zu Lasten der Gesellschaft und zum Nutzen der Energiemonopole.

Wenn die Monopole bereit sind, nachhaltige Marktwirtschaft durch Einbindung von Ökologie und gesellschaftlicher Verantwortung in ihr wirtschaftliches Handeln einzubetten, sollte man darüber wertfrei sprechen.

Es reicht doch schon, wenn die Monopole für die eigenen Interessen Lobbyismus betreiben. Warum haben Sie, Herr Vahrenholt, sich deren Argumenten angeschlossen?

Es grüßt Sie
Ihr Dietmar Helmer

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